Leim, Wachs, Tempera


15.04.2013
1. Leimfarbe (Hasenleim)

1.a. Zubereitung
Die online zu findenden Anweisungen über die Zubereitung von Hasenleim weichen zum Teil stark von einander ab, ich verwendete als Kompromiss aus den Funden 1/4 Hasennudeln zu 3/4 Wasser und liess das Ganze sechs Stunden lang quellen: der Leim quoll auf das doppelte seines Volumens auf und erhielt eine körnige, feste Konsistenz von halbtransparenter graubrauner Farbe, ähnlich der der Hasennudeln selbst.
Einig sind sich die Anweisungen über die Nutzbarmachung: im Wasserbad erhitzt, wird die Masse flüssig und lässt sich mit dem Pinsel streichen. Zudem wird sie undurchsichtig graubraun und verströmt einen nicht gerade angenehmen Geruch. Ich habe diese Leimfarbe genutzt, um Leinenstoff auf die Test-Brettchen aufzuziehen, dazu habe ich das Leinen angefeuchtet, über den Brettchen straff gezogen und festgenagelt, dann trocknen lassen und den faltenfreien Stoff dick mit der Leimfarbe getränkt. Der grobe, naturfarbene Leinenstoff wurde etwas dunkler und nach dem Trocknen bretthart. Das Trocknen habe ich über Nacht stattfinden lassen, vermutlich hätten aber ein-zwei Stunden in einem warmen Raum ausgereicht.
Um Farbe aufzubringen, habe ich Portionen des Hasenleims im Wasserbad verflüssigt und das reine Pigment in großzügiger Menge direkt eingerührt. Ocker und Pozzuolirot wurde sehr schnell, zyprische grüne Erde etwas widerspenstiger angenommen, dabei blieb die Farbe relativ lange sirupartig – die angerührte Farbe hatte nicht im entferntesten die Ähnlichkeit mit dem “fertigen” Farbton sondern war um einiges dunkler und grauer (aus dem Ton des Leims herrührend).
1.b. Verarbeitung
Zum Vermalen nahm ich einen normalen Borstenpinsel mit relativ langen Borsten; die Farbe war leicht dickflüssig, liess sich aber relativ gut aufbringen und stockte auf dem Untergrund ziemlich schnell. Die Leimfarbe ist lasierend, weshalb ich auch eine grüne Übermalung eines roten Untergrunds ausprobierte. Pinsel und Spatel/Holzstab konnten sehr gut parallel zum Einsatz gebracht werden.
Wie gesagt, die Farbe stockt ziemlich schnell – innerhalb von ein paar Sekunden wird sie dick und bildet bei weiterem Auftrag Klumpen. Das “fertige” Bild liess keine Leinenstruktur mehr durchscheinen sondern sah aus wie eine Gummischicht, die sich beim Trocknen jedoch vollkommen verlor; das getrocknete Bild ist um einiges heller, lässt die Leinenstruktur gut durchscheinen und hat ein leichtes kristallines Funkeln.
1.c. Bewertung
Die Hasennudeln, ein Abfallprodukt bei der Filzherstellung, sind sehr günstig (1 kg = ca 15 EUR, man braucht allerdings für große Mengen Leim geringe Mengen des Grundstoffs (und große Mengen Pigment, ich habe hier nur Erdtöne ausprobiert). Wie sich aus dem Namen “Leim” erahnen lässt, ist die Hauptaufgabe dieses Mittels das Kleben, weshalb es sich in erster Linie dafür anbietet; das Malen ist relativ unangenehm durch die klebrige, heisse Farbe, es ist zwingend notwendig sehr heisses fließendes Wasser in Reichweite zu haben um die Pinsel sofort nach Gebrauch auswaschen zu können.
Leider kann der Farbauftrag nicht korrigiert werden, das ist der große Nachteil dieser Technik. Ein Tropfen oder ein Strich muss übermalt und kann nicht weg genommen werden – es sei denn man lässt sich auf eine Riesensauerei mit Lappen, Spateln und viel heißem Wasser ein um die Farbe wieder abzuwaschen.
Auch empfiehlt es sich, in Schichten zu arbeiten – je eine Farbschicht, trocknen lassen, nächste Farbschicht. Damit lässt sich Klumpenbildung vermeiden, auch wenn Lasureffekte dann sehr gut geplant werden müssen. Auch positiv: die angerührte Farbe gerinnt beim Erkalten und kann im Wasserbad wieder verflüssigt werden, das Pigment setzt sich nicht ab. Angeblich ist die feste Leimfarbe auch lange haltbar.
Die Technik bietet sich an für grafische, flächige Malerei, die sehr gut geplant und vorbereitet werden muss und deren Durchführung sehr viel Disziplin und Sauberkeit verlangt.
1.d. Historisch? 
Gute Frage. Plinius, der über alles schrieb, schreibt auch über Leim als Malmittel, wenn auch nicht in direktem Bezug zu Kunst. Die beim Malen so unangenehme Klebrigkeit eignet sich für alle möglichen Materialien, in Fundbeschreibungen von Schilden wird meistens nur von “organischen Bindemitteln” gesprochen, was sich natürlich interpretieren lässt. Kunstobjekte wie Tafelbilder, Mumienportraits oder auch die filigrane Arbeit auf den Schilden von Dura Europos sind hingegen deutlich als Tempera und Enkaustik klassifiziert.
 Bild
Ganz links: Leimfarbe.

2. Heisse Wachsfarbe
 
2.a. Zubereitung
Seit Jahrhunderten streiten sich Maler und Gelehrte über den Charakter der “Enkaustik”, wohl zu Recht. Ich bin den einfachsten Weg gegangen und habe gebleichtes Bienenwachs im Wasserbad aufgelöst, etwas Leinöl dazugegeben (nur ein paar Tropfen auf etwa 20 Gramm Wachs und Pigment. Das flüssige Wachs wird vollkommen farblos und verändert die Farben der Pigmente ebenfalls nicht.
2.b. Verarbeitung
Jetzt wird’s kritisch. Ich habe die Borstenpinsel im Wasserbad mitkochen lassen und in jeder Malpause in den Topf gestellt (Übrigens: es lohnt sich, einen alten Topf für diesen Zweck zu nehmen), das hat die Streichbarkeit der aufgenommenen Farbe immerhin fast verdoppelt, aber wenn aus einer Sekunde zwei Sekunden werden ist damit nicht viel gewonnen. Ein Strich und die Farbe ist kalt und geronnen. Das erkaltete Wachs bildet eine wellige, den Pinselstrich abbildende Schicht von einem halben Millimeter bis zu mehreren Millimetern, je nachdem, wie oft man überstreicht.
Dabei behält das Pigment seine Leuchtkraft und seinen Glanz, im Gegenteil, der wird sogar noch ein bisschen stärker.
2.c. Bewertung
Das reine, feine, gebleichte Bienenwachs ist nicht unbedingt billig, anders als beim Leim ist der Geruch angenehm. Die Verarbeitungstemperatur liegt allerdings bei weitem höher: das Wasserbad kocht fast, dazu empfiehlt sich ein Teelicht für den Spatel und wahrscheinlich alles mögliche andere Gerät. Die Wachsschicht lässt sich sehr leicht wieder abkratzen und etwas schwerer mit einem heißen Spatel glätten. Heiße Metallgegenstände lasse sich mit Lappen oder Papier im Nu abwischen, die Pinsel sind für alle Zeiten hinüber, es sei denn, man benutzt sie bei nächster Gelegenheit im selben Kontext wieder. Man kriegt die Farbe nie wieder aus den Pinseln heraus.
Die Farbschicht ist sofort trocken und kalt und sehr empfindlich gegen jeden kleinen Kratzer.
Ich bin mir vollkommen sicher, mit diesem Experiment gescheitert zu sein: die Ateliers der Mumienportraitmaler müssen einige Hitzequellen und andere, spezialisierte Werkzeuge und Techniken gehabt haben. Es ist offensichtlich, dass bei dieser Malerei “ein Trick dabei ist”, welcher es ist hat sich mir noch nicht erschlossen. Die leichte Herstellung der Farbe und deren Glanz sind jedenfalls zu überzeugend, als dass es nicht irgendwie zu erzielen sein sollte (will sagen: ich probiere das nochmal).
2.d. Historisch?
Ja, auf jeden Fall. Fast die ganze antike Literatur zur Malerei dreht sich um Wachsmalerei, ein “Bildnis in Wachs” war so sprichwörtlich wie heutzutage “in Öl gemalt”. Um hinter die Geheimnisse chemischer, technischer und physikalischer Art zu kommen wird es allerdings wahrscheinlich mehr brauchen als eine Küche und Pigmente, Wachs und Pinsel, auch wenn Funde und Bilder wie das des Malersarkophags von der Krim das nahelegen.
Bild
In der Mitte: Wachs.

3. Eitempera

3.a. Zubereitung
Eitempera ist einfach: ein Drittel Eiweiss oder das ganze Ei, ein Drittel Leinöl, ein Drittel Wasser, verrühren zu einer netten Emulsion, spatelweise das Pigment zurühren (nicht zuviel auf einmal nehmen).
3.b. Verarbeitung
Eitempera kann mit Wasser verdünnt und so ziemlich auf allem gemalt werden, was es gibt und was nicht hydrophob ist. Holz oder Stoff ist kein Problem, Stein sollte schon eine gewisse Porösheit besitzen. Eitempera hat am meisten Ähnlichkeit mit unserer “Deckfarbe” und handelsüblichen Kaseinfarben, man kann sie mit so ziemlich allen Pinseln verarbeiten, mit Wasser verdünnt wird der Farbauftrag lasierend, allerdings sollte man aufpassen was die Trocknung anbelangt – je nach Eiweissanteil schließt der Farbauftrag ab, drüber gelegte Farbschichten verhalten sich wie auf einer hydrophoben Fläche (zusammenlaufen und Perlenbildung). Man kann also nass-in-nass Malen und so relativ einfach Verläufe und andere maltechnische Effekte erzielen.
Die Farbe hellt sich bei der Trocknung auf und wird dünner, bei einigen Pigmenten treten sogar Tonveränderungen auf (eisenoxidrot wird zum dunklen Lila), man muss die Farben kennen, mit denen man malt. Die Pigmente werden inhomogen von der Tempera angenommen; Ockertöne und Titanweiss, Rebenschwarz sehr gut, grüne Erde relativ schlecht. Die Farbschicht ist gemeinhin stumpf, bei einem hohen Eiweissanteil matt glänzend.
3.c. Bewertung
Durch die kalte Verarbeitung und relativ gesehen lange Verarbeitungszeit ist Tempera ungemein bequem und komfortabel, die Grundelemente Ei und Leinöl billig und universell (mit einem Ei kommt man zu einer sehr großen Menge an Tempera, mehr als man z. B. für ein einzelnes Bild braucht – es empfiehlt sich, “in Serie” zu arbeiten und mehrere Bilder gleichzeitig herzustellen um die angemischten Töne effektiv zu nutzen). Die Farbe lässt sich abwischen, abkratzen und bestenfalls auch übermalen. Leider ist sie auch empfindlich gegenüber Abrieb und Witterung und dementsprechend nicht unbedingt für belastete Gegenstände zu empfehlen.
Ein weiterer Nachteil ist die begrenzte Lagerfähigkeit – man braucht einen Kühlschrank oder muss übrig gebliebene Farbe am Ende des Tages weg werfen (weshalb es sich empfiehlt, immer nur relativ wenig frisch zuzubereiten).
3.d. Historisch?
Und wie. Temperamalerei kann an Tempelfassaden, Statuen, Tafelbildern und Bildern auf Stoff nachgewiesen werden, m. E. war es die billigste und einfachste Form der Malerei und somit prädestiniert für den “Massenmarkt” bzw. die schnelle, billige Kopie.
Bild
Ganz rechts: Tempera.